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Abwärme von Rechenzentren als Teil der Wärmewende

Abwärmenutzung gilt als eine vielversprechende Lösung um unsere Wärmewende maßgeblich voran zu bringen. Das Potential industrieller Abwärme, wie aus der Stahlproduktion, wird stets diskutiert doch bis heute nur vereinzelnd genutzt. Für eine erfolgreiche Wärmewende muss sich das grundlegend ändern.

Abwärme von Rechenzentren als Teil der Wärmewende
Joshua Sortino/Unsplash

Rechenzentren können dabei eine wichtige Rolle spielen, denn sie wandeln die gesamte elektrische Eingangsleistung in Wärme um. Auch das BMWi und große Energieversorger haben dieses Potential erkannt.

Zu Beginn des Jahres überraschte das EWI aus Köln mit guten Nachrichten im Bereich der Treibhausgasemissionen Deutschlands. So sei der CO2-Ausstoß 2019 um mehr als 50 Millionen Tonnen gesunken. Dieser Erfolg ist allerdings fast ausschließlich dem Anstieg von erneuerbarer Stromproduktion zu verdanken, während sich keinerlei nennenswerte Einsparungen im Gebäude- oder Mobilitätssektor ergeben haben. Diese Meldung offenbart damit auch die Versäumnisse in den benachbarten Sektoren. Ein signifikanter Anteil des Primärenergieverbrauchs fällt auf die Wärmeproduktion zurück, welche seit Jahren einen eher bescheidenen Anteil erneuerbarer Energien von nur ca. 14% verbucht.

Hier kommen Rechenzentren ins Spiel. Rechenzentren sind ein Teil der digitalen Infrastruktur - ein Sektor, der wiederum durch das Wachstum der Digitalwirtschaft zunehmend an Größe gewinnt. Treiber des Wachstums sind sowohl Streaming, Digitale Apps & Services als auch neue Technologien wie künstliche Intelligenz und Simulationen. Wie stark auch der damit verbundene Energiehunger wächst, wird durch aktuelle Zahlen deutlich: Schätzungen gehen im Worst-Case von bis zu 13% in des gesamten weltweiten Strombedarfs nur für den Betrieb von Rechenzentren in 2030 aus. Wie hoch die Zahl genau ist, darüber streiten sich Experten jedoch.

Klar ist, dass durch die Digitalisierung unserer Gesellschaft und Wirtschaft, signifikant mehr digitale Infrastruktur und somit auch Rechenzentren entstehen werden. Über 100 Megawatt Leistung haben besonders große Rechenzentren bspw. von Facebook oder Google. Der gesamte elektrische Strom wird im Betrieb in Wärme gewandelt und muss dann mit zusätzlichem Strom (z.B. über eine Klimaanlage) gekühlt werden. In Anbetracht der zukünftig fehlenden Wärmequellen wirkt dies zunehmend absurd, denn mit Anlagen dieser Dimension lassen sich durchaus auch größere Städte heizen.

„Wo wir definitiv Potenzial sehen, ist bei Rechenzentren. Dort fallen große Mengen Abwärme an, die heute vielerorts energetisch ungenutzt bleiben. Das wollen wir ändern.“ Vattenfall Deutschland-Chef, Tuomo Hatakka

Die Gründe für die Nichtnutzung der Abwärme sind bereits aus anderen Industrien bekannt: Mangelndes Temperaturniveau, Anspruch an eine konstante Wärmeleistung, sowie die notwendigen Investitionen. Trotz dieser Barrieren gibt es erste positive Entwicklungen bei Rechenzentren zu beobachten. So ist das Temperaturniveau der Abwärme zuletzt stark gestiegen. Durch die hohe Verfügbarkeit - Rechenzentren laufen 24/7 - und die schiere Größe mancher Anlagen entstehen vielerorts Anreize, über den Bau oder die Erweiterung von Wärmenetzen nachzudenken. Gleichzeitig werden fossile Brennstoffe durch steigende CO2 Preise zunehmend unrentabel.

Wie sich dieses Konzept konkret umsetzen lässt, macht Schweden vor. Stockholm hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 10% der Wärme aus Rechenzentren zu beziehen. Die Stadt bezahlt für die Abwärme und der Betreiber kann dadurch seine Betriebskosten senken. Rechenzentren erleben in Schweden und anderen skandinavischen Ländern ein besonders starkes Wachstum - nicht nur wegen des günstigen Klimas, sondern auch aufgrund von Stromverfügbarkeit und Abwärmepotential.

„Abwärme aus Rechenzentren kann auch heute schon wirtschaftlich genutzt werden. Bisher stellt uns die großflächige Integration jedoch noch vor einige Herausforderungen.

Vorstandsmitglied Sustainable Digital Infrastructure Alliance e.V., Dr.-Ing. Birger Ober

 Auch in Deutschland entwickelt sich digitale Infrastruktur rasant. Bereits 20% des Frankfurter Stromverbrauchs entstehen in den Rechenzentren der Region. Städte wie Hamburg, Berlin, München und viele weitere setzen bei der Wärmeversorgung schon lange auf die zukunftsoffene Wärmenetztechnologie und könnten so zukünftig neue Märkte für Rechenzentrenstandorte sein.

Das BMWI hat die Opportunität bereits erkannt und nennt in ihrer Effizienzstrategie explizit die Erschließung von Niedertemperatur Wärmequellen wie "Rechenzentrenabwärme". In Norddeutschland geht Dataport mit gutem Beispiel voran. Der IT-Dienstleister für die öffentliche Verwaltung betreibt bereits ein Rechenzentrum in Hamburg, mit dem es eine Turnhalle und Bürogebäude auf dem Gelände mit heizt.

Die in Hamburg gegründete Sustainable Digital Infrastructure Alliance e.V. (www.sdialliance.org) hat sich diesem Thema und der Erforschung von Lösungsansätzen verschrieben. Die durch die Digitalisierung erhoffte Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch ist nur möglich, wenn die darunter liegende Infrastruktur nachhaltig gebaut und betrieben wird. Neben Abwärmenutzung arbeitet der Verein mit seinen Mitgliedern auch an Konzepten wie einem flexibleren Stromverbrauch sowie einer insgesamt besseren Auslastungsgrad von Rechenzentren.

Was diese Entwicklungen für Norddeutschland bedeuten können, ist noch offen. Es bietet sich jedoch an, sich jetzt strategisch auszurichten. Erneuerbarer Strom ist für eine stromhungrige Industrie, wie die der Rechenzentren, mehr als genug vorhanden und Großstädte wie Hamburg haben einen hohen Wärmebedarf, den es in Zukunft erneuerbar zu decken gilt.

Zitat von  Vattenfall:

https://group.vattenfall.com/de/newsroom/blog-news-presse/blog/2019/november/dekarbonisierung-warme

Autor: Lasse Schneppenheim, SDI Alliance

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