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Abschattung von Windparks Interview mit Dr. Bernhard Stoevesandt, Fraunhofer Institute for Wind Energy Systems

Im folgenden Gespräch geht Dr. Bernhard Stoevesandt, Fraunhofer Institute for Wind Energy Systems, auf die Gefahren von Abschattungen von Offshore-Windparks in der Deutschen Bucht ein.

Abschattung von Windparks
RWE Offshore

EEHH: Gegenwärtig wird in der Branche eine Diskussion darüber geführt, ob es sinnvoll ist, die Offshore-Ausbauziele von bis zu 70 GW bis 2045 zu verringern, um so Abschattungseffekte zwischen den Offshore-Windparks zu reduzieren und die Volllaststunden in der WEA zu erhöhen. Wie bewerten Sie die Situation, sehen Sie das Risiko einer zu starken Abschattung beim aktuellen Ausbauszenario?

Dr. Bernhardt Stoevesandt: "Die Abschattungen der Windparks in der Deutschen Bucht durch untereinander und durch äußere Windparks kann entsprechend der verschiedenen Szenarien, die wir bisher gerechnet haben, tatsächlich erheblich sein. Bei einigen Windparks kann die Reduktion der Windgeschwindigkeit deutlich im zweistelligen Prozentbereich liegen, wenn der Ausbau, wie bisher geplant und zu erwarten ist, erfolgt. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Abschattung so stark wäre, dass sich die Parks nicht mehr profitabel betreiben lassen. Denn dies hängt stark von den internen finanziellen Berechnungen und den erfolgten Geboten der Entwickler ab. Für alle Entwickler ist seit den Veröffentlichungen der Nachlaufrechnungen im Rahmen der kontinuierlichen Fortschreibung des Flächenentwicklungsplans (FEP) für den Ausbau bis hin zu 70 GW bekannt, wie sich die Windverhältnisse unter den spezifischen Standortbedingungen verändern können. Alle Entwickler sollten deshalb in der Lage sein, nach wie vor profitable Gebote abzugeben. Wenn keine Gebote mehr eingereicht werden sollten, wird deutlich, dass es so nicht geht und ein Nachjustieren der Flächenplanung erforderlich sein kann. Die in den letzten Jahren ausgeschriebenen – teils in Bezug auf die Nachlaufeffekte eher unattraktiven Flächen – haben jedoch teils hohe Gebote erzielt und es gab stets eine Reihe von Entwicklern, die auf die Flächen geboten haben."

EEHH: Einige Vorschläge, die deshalb aktuell in den Medien diskutiert werden, fordern eine Reduzierung des Offshore-Ausbaus auf 50 GW. Wie sehen Sie dies, vor dem Hintergrund, dass auch das IWES regelmäßig die besondere Bedeutung der Offshore-Windkraft für die Energietransformation in Deutschland betont hat?

Dr. Bernhardt Stoevesandt: "Eine Reduktion des Ausbaus auf 50 GW wird die Herausforderung der Nachlaufeffekte abgesehen von einzelnen Flächen nicht lösen. Denn ein Großteil, der besonders stark von Abschattungseffekten betroffenen Flächen ist, bereits vergeben. Alles, was nordwestlich der Schifffahrtsstraße - im sogenannten Entenschnabel der Deutschen Bucht - gebaut wird, hat einen geringeren Einfluss auf die Abschattung, weil die Schifffahrtstraße zu einer Erholung des Windes beiträgt und die Windgeschwindigkeiten in der zentralen Nordsee höher sind.  Ein Verzicht auf diese Gebiete würde den jetzt schon vergebenen Flächen also nur eingeschränkt helfen. Aus der Windertrags-Perspektive würde damit allerdings auf besonders gute Standorte verzichtet werden. Für den Ausbau in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) ist insbesondere eine klare Abstimmung mit den niederländischen Nachbarn notwendig und hilfreich, da es auch grenzübergreifend Abschattungseffekte in nicht zu vernachlässigendem Ausmaß gibt.

Bei der weiteren Windparkentwicklung müssen neben dem Windenergieertrag auch die höheren Kosten für die Logistik der weit von der Küste entfernten Windparks berücksichtigt werden. Hier könnte die Nutzung von dänischen Flächen zum Aufbau der Kapazität statt Flächen im Entenschnabel von Vorteil sein. In der Diskussion sollte mitbedacht werden, dass ein geringerer Ausbau sich auch auf die Logistik auswirken wird: Mit welchem Ausbau müssen Anlagenhersteller, Hafenbetreiber und Reeder rechnen, um welche Investitionen für den Ausbau in Deutschland zu tätigen? Wird die notwendige Infrastruktur nur in kleinerem Maße ausgebaut, um für weniger Anlagen bereitzustehen, kann es für eine Einzelanlage entsprechend teurer werden. Zudem dauert der Aufbau der Infrastruktur viele Jahre. Ein Nachjustieren zu einem späteren Zeitpunkt wäre dann nur noch sehr schwer umsetzbar."

EEHH: Das Fraunhofer IWES hat im Jahr 2023 in der Studie Offshore-Potenziale 2050 veröffentlicht und dabei die Energieerzeugungseffizienz in der deutschen AWZ untersucht, zu welchen Ergebnissen sind Sie dabei gekommen?

Dr. Bernhardt Stoevesandt: "Untersucht wurde, ob und wie es möglich ist 70 GW und mehr in der deutschen AWZ auszubauen ohne, dass Flächen unter eine Grenze von 3.000 Volllaststunden fallen. Dazu wurde erarbeitet, welche Bedingungen andere Nutzungsgebiete der AWZ haben könnten, um eine gemeinsame Nutzung mit der Windenergie zu ermöglichen. Aus verschiedenen Diskussionen schienen gemeinsame Nutzungen unter speziellen Bedingungen grundsätzlich möglich zu sein. So dass am Ende auch Szenarien für einen Ausbau auf 73 GW und 82 GW betrachtet wurden."

EEHH: Wie können die Erkenntnisse der Fraunhofer Studie in die aktuelle Diskussion über die Ausbauziele einfließen?

Dr. Bernhardt Stoevesandt: "Die Umsetzung der in der Studie gemachten Szenarien setzt voraus, dass verschiedene Interessengruppen sich gemeinsam darüber austauschen, wie ihre jeweiligen Interessen in einer Co-Nutzung umgesetzt werden könnten. Dafür würde es einen moderierten Prozess benötigen. Zudem wäre es notwendig die Windenergie mit für die Co-Nutzung notwendigen Eigenschaften weiterzuentwickeln."

EEHH: Worin bestehen die Vorteile in der Doppelnutzung der Offshore-Flächen?

Dr. Bernhardt Stoevesandt: "Durch die Co-Nutzung könnte die Dichte der Bebauung in den Windparkflächen deutlich reduziert werden, so dass die Nachlaufeffekte reduzieren würden und die Erträge besonders in den sehr dicht bebauten/geplanten Regionen deutlich steigen. Auf der anderen Seite wäre es so auch möglich z. B. klare Zielvorgaben für den Naturschutz gemeinsam mit der Windenergiebranche umzusetzen."

EEHH: Welche Folgen hat das für Projektentwickler in Bezug auf die Ertrags- und Kostenseite?

Dr. Bernhardt Stoevesandt: "Die Erträge wären deutlich besser. Windparks in den Clustern in der zentralen Deutschen Bucht werden wegen der Nachläufe in Zukunft andere Windverhältnisse haben als heute. Wenn die Parks dünner bebaut werden können, weil mehr Fläche genutzt werden kann, wären die Erträge konstanter und insgesamt auch höher. Am Ende wäre der Gesamtertrag aus den Offshore-Windparks deutlich höher. Kostenseitig ist davon auszugehen, dass geringer bebaute Windparks etwas höhere Wartungs- und Installationskosten haben, weil die Strecken größer werden, die aber durch die Erträge wieder mehr als aufgefangen werden würden. Die Gesamtkosten hängen allerdings vielmehr an der Gesamtkapazität der Anlagenverfügbarkeit: Es ist davon auszugehen, dass größere Produktionskapazitäten für die Windenergieanlagen zu einer Kostenreduktion führen. Dies ist z. B. in China zu beobachten. Gleichzeitig müssen Häfen und eine Schiffsinfrastruktur aufgebaut und betrieben werden. Grundsätzlich gilt da: Je besser die Auslastung, desto günstiger wird der Betrieb. Auch hier zählt die dann vorhandene Kapazität, die zur Kostenreduktion beitragt."

EEHH: Wurden vom Fraunhofer IWES seit der Studie weitere Untersuchungen zu den Ausbauszenarien durchgeführt oder sind diese in Zukunft geplant?

Dr. Bernhardt Stoevesandt: "Das Fraunhofer IWES untersucht bspw. auch für das BSH verschiedene mögliche Szenarien des Ausbaus im Rahmen der Fortschreibung des FEPs. Die resultierenden Daten und Berichte werden vom BSH veröffentlicht: https://gdi.bsh.de/mapapps/resources/apps/Modellierung_Windenergieertrag/index.html?lang=de

Von unterschiedlicher Seite aus der Industrie gibt es zudem immer wieder Interessen an speziellen auf diesen Ergebnissen aufbauenden Berechnungen z. B. zu Ertrags- oder Energiekostenabschätzungen für existierende und geplante Windparks, die ebenfalls vom Fraunhofer IWES durchgeführt werden."

Vielen Dank für das interessante Interview!

 

Über Astrid Dose

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Reden, schreiben und organisieren – und das mit viel Spaß! So sehen meine Tage beim EEHH-Cluster aus. Seit 2011 verantworte ich die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing des Hamburger Branchennetzwerkes. Von Haus aus bin ich Historikerin und Anglistin, mit einem großen Faible für technische Themen.

von Astrid Dose