Details

Das Konzept Circular Economy Kreislaufwirtschaft für Batterien - Blogbeitrag I/III

In Deutschland wird Kreislaufwirtschaft oft mit dem deutschen Kreislaufwirtschafts-gesetz aus dem Jahr 1996 assoziiert bzw. verwechselt und dabei auf die Strategie „Recycling“ reduziert. Hinter dem Begriff Kreislaufwirtschaft im Sinne einer Circular Economy verbirgt sich allerdings ein ganzheitliches Konzept einer „zirkularen Wertschöpfung“.

Batterien erleben einen anhaltenden Boom: Kaum eine Freiflächen-PV-Anlage wird noch ohne Batteriespeicher geplant; jüngst ergab eine Umfrage des BDEW, dass in Deutschland insgesamt Großbatteriespeicher von mindestens 78 GW Leistung bereits eine Netzanschlusszusage haben und dementsprechend vsl. in den nächsten Jahren gebaut werden. Dazu kommen noch die Batterien in immer mehr zugelassenen E-Autos, kleine Heimspeicher und viele Kleinstspeicher in Handys, Akkuschrauber und co.

Diese Batterie-getriebene Elektrifizierung ist integraler Bestandteil der Energietransformation, doch noch wird sich kaum Gedanken über die Erstnutzung hinaus gemacht: Können genutzte Batterien in einem zweiten Lebenszyklus wiedergenutzt (REUSE) oder umgenutzt (REPURPOSE) werden? Wie können wertvolle Ressourcen durch Recycling (RECYCLE) im Kreislauf gehalten werden?

Um diese Fragen beantworten zu können, beleuchtet diese dreiteilige Blogreihe unterschiedliche Aspekte der Kreislaufwirtschaft (CIRCULAR ECONOMY) für Batterien:

  1. Konzept der Circular Economy
  2. Der EU-Batteriepass
  3. Umsetzung eines lokalen Batterie-Kreislaufsystems: „Future Battery-Hub-IQ“

Konzept der Circular Economy

Dies ist der erste Teil der dreiteiligen Blogreihe zu Kreislaufwirtschaft für Batterien. In diesem Teil soll es um das Grundkonzept der Kreislaufwirtschaft gehen, denn dieses ist nicht immer ganz klar:

Ziel ist eine zirkuläre Wertschöpfung

In Deutschland wird Kreislaufwirtschaft oft mit dem deutschen Kreislaufwirtschafts-gesetz aus dem Jahr 1996 assoziiert bzw. verwechselt und dabei auf die Strategie „Recycling“ reduziert. Hinter dem Begriff Kreislaufwirtschaft im Sinne einer Circular Economy verbirgt sich allerdings ein ganzheitliches Konzept einer „zirkularen Wertschöpfung“. Damit steht die Kreislaufwirtschaft im Gegensatz zu einem traditionellen, linearen Wirtschaftsmodell, das auf einem „Nehmen-Herstellen-Verbrauchen-Wegwerfen"-Muster (engl. „take–make–consume–dispose“) basiert.

In einer zirkulären Wertschöpfung entsteht durch die Wiederverwendung möglichst aller Materialien ein Kreislauf, der die Herstellung neuer Produkte ermöglicht, ohne neue Rohstoffe aus der Erde extrahieren zu müssen. Das Ziel ist somit die bessere Nutzung von Materialien, Komponenten und Produkten im Vergleich zu einer linearen Wirtschaft. Dabei gilt: je höher der Grad der Kreislaufwirtschaft, desto geringer der Anteil an neu-extrahierten Materialien in Produkten [1]. Bei einer ganzheitlichen Anwendung von Kreislaufwirtschaft wird sich eine Entkopplung des wirtschaftlichen Wachstums vom Konsum endlicher Ressourcen erhofft [2]. Das würde das sogenannte Grüne Wachstum (Green Growth) ermöglichen.

Kreislaufwirtschaft als Standortvorteil

Eine Einführung einer ganzheitlichen und sektorenübergreifenden Kreislaufwirtschaft hat für die Europäische Union sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Perspektive verschiedenste Vorteile: Auf dem Weltmarkt erleben wir zum einen zunehmenden Protektionismus (an der Spitze ist hier der amerikanische Präsident Trump zu nennen), auf der anderen Seite dominiert China die Herstellung zentraler Zukunftstechnologien und sorgt für eine neue Abhängigkeit (jüngst hatte dabei das Unternehmen Nexperia für Schlagzeilen gesorgt). Darüber hinaus haben in den letzten Jahren geopolitische Konflikte zur Verunsicherung geführt, wodurch auch Eingriffe in die Energieinfrastruktur durch Hackerangriffe o.Ä. immer häufiger befürchtet werden.

Strategien der Kreislaufwirtschaft – die 9R

Die Kreislaufwirtschaft ist ein vielversprechendes Konzept, die Abhängigkeiten zu reduzieren und die Resilienz der Lieferketten zu erhöhen [3]. Wie das zirkuläre Konzept in neuen und bestehenden Prozessen entwickelt und integriert werden kann, zeigen die R-Strategien der Kreislaufwirtschaft, welche von der Ellen MacArthur Foundation entwickelt wurden:

Die Strategien sind nach ihrer Wirksamkeit und dem Grad der Zirkularität von R0, höchster Grad an Zirkularität, bis R9, minimaler Grad an Zirkularität, sortiert [1]. Diese Hierarchie geht einher mit dem Zeitpunkt der Intervention: Wird erst bei der Entsorgung über Recycling nachgedacht, so ist das Potenzial geringer, als wenn schon bei der Konstruktion des Produkts die Zirkularität mitgedacht wird [2].

Intelligenter Produktgebrauch und Herstellung

Die Strategien mit der höchsten Wirksamkeit (R0-Refuse, R1-Rethink und R2-Reduce) können zu dem Bereich „intelligenter Produktgebrauch und Herstellung“ zusammengefasst werden. Diese drei Strategien setzen bei der Produktentwicklung eines neuen Produktes bzw. bei der Weiterentwicklung eines bestehenden Produktes an und maximieren somit die Ressourceneffizienz und -produktivität. [1]  

R0 – Refuse (Produkt-Ablehnung): Wenn ein Produkt redundant ist oder von einem anderen Produkt ersetzt werden kann, dann ist dieses Produkt abzuschaffen. Die R0-Refuse-Strategie kann auch angewendet werden, wenn durch ein radikal anderes Produkt das gleiche Ziel erfüllt wird – bspw. kann der Wunsch nach Mobilität sowohl von einem eigenen Auto als auch von flächendeckendem Car-Sharing erfüllt werden, somit kann das eigene Auto (häufig im städtischen Raum) durch Carsharing ersetzt werden.

R1 – Rethink (Hinterfragen des Angebots): Durch das Neudenken von Geschäftsmodellen ist es möglich die Nutzung von Produkten zu intensivieren. Hier kann das Verleihen von Werkzeugen über Nachbarschaftsplattformen ein Beispiel sein.

R2 – Reduce (Materialreduktion): Die Maximierung der Effizienz in der Herstellung oder Nutzung von Produkten reduzieren den Konsum von endlichen Ressourcen. In der Anwendung auf Batterien könnte das bedeuten, dass der Materialverbrauch pro kWh-Batteriekapazität reduziert wird.

Verlängerung der Lebensdauer von Produkten und ihren Bauteilen

Der Bereich der „Verlängerung der Lebensdauer von Produkten und ihren Bauteilen“ umspannt die Strategien R3-Reuse, R4-Repair, R5-Refurbish, R6-Remanufacture und R7-Repurpose. Diese Strategien können auch auf bereits in der linearen Wirtschaft entstandene Produkte angewendet werden. Damit sind sie vor allem in der Transformationsphase von der linearen zu einer zirkularen Wirtschaft von Bedeutung.

R3 – Reuse (Wiederverwendung): Ein entsorgtes, funktionsfähiges Produkt wird in der ursprünglichen Funktion wiederverwendet. Je langer der Lebenszyklus eines Produktes ist, desto langer und öfter wird es wiederverwendet. Bspw. lassen sich auf dem Online-Marktplatz „Kleinanzeigen“ unzählige gebrauchte Produkte finden, die noch voll funktionsfähig sind und nach dem Verkauf weiter benutzt werden.

R4 – Repair (Reparatur): Durch die Reparatur und Instandhaltung von Produkten können diese trotz eines Defekts weiter ihren originalen Zweck erfüllen und müssen nicht ersetzt werden. Je modularer die Produkte aufgebaut sind, desto unkomplizierter sind diese zu reparieren.

R5 – Refurbish (Generalüberholung): Diese Strategie führt Komponenten eines Produktes nach der Nutzungsphase zurück in den Montageprozess. Ein Produkt wird dabei generalüberholt – technisch auf einen neuen Stand gebracht – und wird dann wieder/weiter benutzt. Die online-Marktplätze Refurbed oder reBuy bieten bspw. generalüberholte Handys an, meist wird im Prozess der Akku ausgetauscht.

R6 – Remanufacture (Refabrikation): Bei der Refabrikation wird nicht das gesamte Produkt wiederverwendet, sondern einzelne Komponenten eines Produktes. Diese Komponenten werden zunächst geprüft und aufbereitet, um sie dann wieder zu einem Produkt zusammen zu setzen. Die einzelnen Komponenten behalten dabei ihre ursprüngliche Funktion, das neue Produkt muss dabei jedoch nicht dem Alten entsprechen. Den Standards nicht entsprechende Komponenten werden gegen neue ausgetauscht. So lassen sich signifikante Ressourceneinsparungen für neue Produkte realisieren [4].

R7 – Repurpose (Umnutzung): Die Strategie der Umnutzung ähnelt stark der der Refabrikation. Allerdings werden die Komponenten in einer anderen Funktion wiederverwendet. Das erfordert, dass bei der Konstruktion der einzelnen Komponenten die Umnutzung mitgedacht wird [5].

Sinnvolle Verwendung von Materialien

Haben Produkte ihr Nutzungsende erreicht und können nicht nach den Strategien R3-R7 wieder- / umgenutzt werden, soll im Bereich „Sinnvolle Verwendung von Materialien“ sichergestellt werden, dass auch hier möglichst große Teile der Materialien im Kreislauf gehalten werden. Der Bereich beinhaltet die Strategien R8-Recycle und R9-Recover:

R8 – Recycle (Wiederaufbereitung): Die Primarmaterialen eines Produkts können nach ihrer Nutzungsdauer durch verschiedenste Recyclingprozesse zu Sekundarmaterialien verarbeitet und zurück in den Wertschöpfungskreislauf gebracht werden. Im besten Fall weisen die Sekundarmaterialen die gleiche Qualität auf wie die Primarmaterialen. Durch Verunreinigungen oder Beanspruchungen im Recyclingprozess, sind jedoch Sekundarmaterialen die Regel, die eine geringere Qualität aufweisen [5]. Das „Recyclen“, welches als Buzzword in der Allgemeinheit am bekanntesten ist, steht in der Hierarchie der Kreislaufwirtschaftsstrategien an zweitletzter Stelle. Das liegt vor allem an zwei Faktoren: Zum einen weisen die Strategien mit niedriger Ordnungsnummer höheres Nachhaltigkeitspotenzial auf. Werden bspw. Rotorblätter von Windenergieanlagen wiederverwendet erhalten sie ihre ursprüngliche Wertigkeit, werden sie hingegen zu Füllstoffen in der Zementverarbeitung recycelt, ist das Produkt von geringerer Wertigkeit [6]. Zum anderen kann das Recycling energie- und wasserintensiv sein und geht häufig mit Verlusten bei der Materialqualität und -menge einher, die dann in nachfolgenden Produktionszyklen ersetzt werden müssen [7]. Daher ist es möglich, dass das Recycling die Nachhaltigkeit eines Produkts (im Sinne von u.a. Wasserverbrauch und CO2-Emissionen) sogar verringert [8].

R9 – Recover (energetische Wiedergewinnung): Sind die Materialen nicht recycelbar oder zu stark verunreinigt, können diese meist noch als Energiequelle genutzt werden. Allerdings scheiden sie damit aus dem Kreislauf endgültig aus [5]. Wie die energetische Wiedergewinnung möglichst effizient erfolgen kann, können Sie im Blogbeitrag über das Zentrum für Ressourcen und Energie.

Verlangsamen, Verengen und Schließen

Die 9R-Strategien zeigen, dass „Recycling“ nicht hinreichend für eine Kreislaufwirtschaft im Sinne einer Circular Economy ist und weitreichende Veränderung im Produktdesign notwendig werden. Neben den 9R-Strategien gibt es noch viele weitere Frameworks die auf das gleiche zirkuläre Ziel einzahlen. Ein weiteres sehr eingängiges Framework ist der slowing-narrowing-closing Ansatz (Verlangsamen, Verengen und Schließen). Ziel des „Narrowing“ („Verengens“) ist dabei analog zu R2-Reduce die Minimierung des Ressourcenverbrauchs, sowie die effiziente Gestaltung von Materialflüssen. „Slow“ („Verlangsamen“) bezieht sich auf die Strategien R3-R7 und hat die Verlängerung der Produktlebensdauer zum Ziel, wobei hier der Übergang zum Ansatz „Close“ („Schließen“) fließend ist. Hier sollen die Materialkreisläufe geschlossen und die Wiederverwendung maximiert werden, wozu auch das Recycling gezählt wird. In einigen Fällen wird das slowing-narrowing-closing noch durch die Dimension „Regenerate“ („Regenerieren“) ergänzt, womit natürliche Systeme wiederhergestellt und gestärkt werden sollen. Eine übersichtliche Zusammenfassung dieses Ansatzes finden Sie auch auf der Website des Instituts für Energie, Ökologie und Ökonomie (DFGE).

Mit diesem vertieften Wissen über das zirkuläre Wirtschaften soll es im zweiten und dritten Teil um den EU-Batteriepass und die Umsetzung eines lokalen Batterie-Kreislaufsystems: „Future Battery-Hub-IQ“ gehen. Bleiben Sie gespannt!

Quellen

[1] Potting, Jose, M.P. Hekkert, Ernst Worrell, und Aldert Hanemaaijer. 2017. Circular Economy: Measuring innovation in the product chain.

[2] Ellen MacArthur Foundation. 2013. „Towards the Circular Economy: Economic and business rationale for an accelerated transition“. vol 1. Ellen MacArthur Foundation.

[3] DBU. 2022. „DBU: Unabhangiger durch Circular Economy | Startseite“, 28. Marz 2022. https://www.dbu.de/123artikel39345rss.html.

[4] Kirchherr, Julian, Denise Reike, und Marko Hekkert. 2017. „Conceptualizing the Circular Economy: An Analysis of 114 Definitions“. Resources, Conservation and Recycling 127 (Dezember): 221–32. https://doi.org/10.1016/j.resconrec.2017.09.005.

[5] Buchberger, Silvia, Günter Hofbauer, Lukas Mangold, und Katharina Truong. 2019. „Das Konzept der Circular Economy als Maxime für Beschaffung und Vertrieb in der Industrie“. aus der Reihe, 41.

[6] Mendoza, Joan Manuel F., Alejandro Gallego-Schmid, Anne P.M. Velenturf, Paul D. Jensen, und Dorleta Ibarra. 2022. „Circular Economy Business Models and Technology Management Strategies in the Wind Industry: Sustainability Potential, Industrial Challenges and Opportunities“. Renewable and Sustainable Energy Reviews 163 (Juli): 112523. https://doi.org/10.1016/j.rser.2022.112523.

[7] Velenturf, Anne P. M. 2021. „A Framework and Baseline for the Integration of a Sustainable Circular Economy in Offshore Wind“. Energies 14 (17): 5540. https://doi.org/10.3390/en14175540.

[8] Vegter, Dennis, Jos van Hillegersberg, und Matthias Olthaar. 2020. „Supply Chains in Circular Business Models: Processes and Performance Objectives“. Resources, Conservation and Recycling 162 (November): 105046. https://doi.org/10.1016/j.resconrec.2020.105046.

Über Felix Fresen

Profilbild zu: Felix Fresen

Im Cluster EEHH verantworte ich den Bereich Sektorenkopplung. Dabei liegt mein Fokus auf der Integration von Wärme und Batterietechnologien in ein nachhaltiges Energiesystem. Ich vernetze Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, um innovative Lösungen für eine klimafreundliche Zukunft voranzutreiben und Hamburg als Vorreiter in der Energiewende zu positionieren.

von Felix Fresen