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Kehrt Realismus beim Wasserstoff ein? From Hamburg to the World: EEHH-Cluster auf der European Hydrogen Week

Förderung für Infrastruktur und Elektrolysetechnologie, Abbau von Hemmnissen im globalen Wasserstoffhandel und Standardisierung von Wasserstoffprodukten, ein einheitlicher und effizienter Regulierungsrahmen – dies sind einige der Punkte, die die Marktteilnehmer von der EU fordern, damit Wasserstoff schneller ins Rollen kommt.

Kehrt Realismus beim Wasserstoff ein?
Copyright: European Hydrogen Week

Zum fünften Mal organisierten die Europäische Kommission, Hydrogen Europe und die Clean Hydrogen Partnership in Brüssel die European Hydrogen Week – Europas führende Fachkonferenz rund um das Thema Wasserstoff. In diesem Jahr nahmen 220 Aussteller und mehr als 9.000 Fachbesucher*innen teil. In 25 Sessions diskutierten 200 nationale und internationale Sprecher*innen Regulatorik, Handel und Technologie. Für das EEHH-Cluster war Sibyl Scharrer,Internationale Kooperation Wasserstoff, vor Ort.

Gartner Hype Cycle, Copyright: Gartner.com/Todreamalife/Medium.com

Erklärt „Gartner Hype Cycle“ die Zukunft des Wasserstoffs?

Nach dem technologischen Durchbruch und ersten kommerziellen Anwendungen auf dem Markt (Innovation Trigger) wurde der Stellenwert von Wasserstoff für die Energiewende seit einigen Jahren immer breiter anerkannt. Auch ein starker politischer Willen trug dazu bei, dass Wasserstoff innerhalb einer kurzen Zeit zu einem „überzogenen“ Hoffnungsträger (Peak of Inflated Expectations) für die wirtschaftliche Transformation geworden ist. Doch die hohen Preise und Inflationsrate sowie ein sehr komplexer Rechtsrahmen schreckten Unternehmer und Investoren ab und bremsten den Fortschritt der Wasserstoffwirtschaft. Wird nun der „Valley of Grief“ (Trough of Disillusionment) erreicht? Branchenexpert*innen gehen davon aus, dass sich die Entwicklung allmählich wieder nach oben einpendelt, und blicken mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft.

Mangelnde Förderung und starker internationaler Wettbewerb

Wirksame Hebel für den schnellen Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft sind Investitionen und Förderung. Europa verfügt bereits heute über ausreichende Elektrolyseurkapazitäten zur Wasserstofferzeugung in der Startphase. Demgegenüber fehlt es allerdings an der Nachfrage, wofür mehr finanzielle Anreize und Unterstützung von Seiten der EU und der nationalen Ebene gewünscht sind. Die hohen Investitionsausgaben bei Elektrolyseuren sind ein wesentlicher Grund dafür, dass grüner Wasserstoff derzeit für die Produzenten und Nutzer zu teuer ist. Mit technologischer Innovation kann eine Steigerung der Effizienz bei wichtigen Komponenten erzielt werden und dadurch Kosten gesenkt werden. Eine wirksame Anwendung des Instruments CO2-Preis könnte erneuerbare Energien gegenüber fossilen attraktiver machen.

Darüber hinaus besteht beim Thema Import ein enormer Nachholbedarf. Eine Überregulierung soll aus Sicht der Industrie vermieden werden, damit der Wasserstoffimport nicht erschwert wird. Die EU und einzelne Mitgliedsstaaten könnten durch vereinfachte Ausschreibungsverfahren und langfristige Liefer-/Abnahmeverträge ermöglichen, Wasserstoff in verfügbarer Menge und zu attraktiven Preisen bereitzustellen.  Bis 2030 wird Europa angewiesen auf die Wasserstoffversorgung aus dem Ausland. Als Beispiel: Deutschland kann nur bis zu 40% seines Bedarfs durch inländische Erzeugung decken.

Weltweit werden etwa Zweidrittel der Final Investment Decisions (FID) von Wasserstoffprojekten derzeit in den USA und China gefällt. Beide Länder verfolgen mit dem Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ein strategisches industriepolitisches Dreiklang-Ziel: Marktanteile, Technologieführerschaft (Elektrolyseur und Brennstoffzelle) und Klimaschutz. Laut einer aktuellen Studie der Boston Consulting Group „droht Europa, im Wettbewerb um grünen Wasserstoff in den nächsten drei bis fünf Jahren von den USA und China abgehängt zu werden.“ Vor allem chinesische Elektrolyseurhersteller können mit staatlicher Förderung und globaler Ambition ihre Produkte und Technologie zu günstigen Preisen auf internationalen bzw. europäischen Markt positionieren, was den Aufbau der globalen Wasserstoffwirtschaft vorantreibt. Gleichzeitig beklagen aber viele europäische Marktteilnehmer einen unfairen Wettbewerb, da europäischen Unternehmen nicht der gleiche Marktzugang in China gewährt wird wie umgekehrt. Außerdem setzt die EU einen sehr komplexen Rahmen für die Produktion, aber auch für den Import von grünem Wasserstoff, was dazu führen könnte, dass dadurch vor allem der H2-Import aus Drittländern gebremst wird.

Doch die Herausforderung für Europa endet nicht beim Wettbewerb unter finanziellen Gesichtspunkten. Um die Abhängigkeit Europas von China zu mindern und die europäische Zuliefererkette in der Wasserstoffwirtschaft zu stärken, hat die EU-Kommission verschiedene Maßnahmen ergriffen. So dürfen in Zukunft Projekte, die an einer Ausschreibung der Europäischen Wasserstoffbank teilnehmen, nur einen Anteil von Elektrolyseur-Stacks aus China von max. 25 Prozent haben.

Ausbau der Kooperation mit Indien

Inmitten der geopolitischen Spannungen setzen sowohl die EU als auch Deutschland auf eine Diversifizierung und Absicherung der globalen Lieferkette.Indien kommt an dieser Stelle eine wichtige Bedeutung zu. Während der European Hydrogen Week 2024 unterzeichneten Hydrogen Europe und die Green Hydrogen Association (GH2 India) ein Memorandum of Understanding (MoU), um die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung beim Auf- und Ausbau der Wasserstoffwirtschaft in Europa und Indien zu fördern. Die strategische Partnerschaft soll Industriestandards verbessern, eine nachhaltige Entwicklung beschleunigen und einen günstigen Rahmen für die Skalierung der Lieferkette für sauberen Wasserstoff in Europa und Indien setzen.

Etwa vier Wochen vor der European Hydrogen Week vereinbarten Deutschland und Indien eine gemeinsame Green Hydrogen Roadmap. Ziel ist es, grünen Wasserstoff wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu machen und die globale Produktion und Handel mit grünem Wasserstoff zu unterstützen. Laut der Roadmap möchte Indien bis 2030 etwa 5 Mio. t. Wasserstoff pro Jahr erzeugen. Im gleichen Zeithorizont wird der Wasserstoffbedarf inkl. Derivate in Deutschland auf 95 bis 130 TWh geschätzt, was dem Brennwert von mehr als 3 Mio. t. Wasserstoff entspricht. Indien könnte einen signifikanten Teil für den deutschen Bedarf leisten.  

Fazit:

Im Vordergrund standen eine Vielzahl von Trends, technologischen Entwicklungen, Business Models und vielen anderen Aspekten rund um die europäische Wasserstoffwirtschaft. Nebenbei netzwerkten die Teilnehmer*innen wie immer feißig.

Über Jingkai Shi

Profilbild zu: Jingkai Shi

Hamburg ist die Modellregion der Energiewende und deutsche Windhauptstadt mit Verbindungen in die ganze Welt. Die lokale Erneuerbare Energien-Branche ist damit ein zentraler Partner für die internationale Energiewirtschaft. Als Ansprechpartner für internationale Kooperation im Bereich Erneuerbare Energien betreue ich die Beziehung des EEHH-Clusters zu internationalen Branchenetzwerken, unterstütze die EEHH-Mitglieder bei ihren Auslandsaktivitäten und trage mit Social-Media-Aktivitäten zu einer stärkeren Sichtbarkeit und Wahrnehmung von Hamburg auf der Weltbühne bei.

von Jingkai Shi