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AEM-Elektrolyseure bald Made in Germany Elektrolyseurhersteller Enapter im Interview

Schwierige Skalierbarkeit, Einsatz seltener Erden und hoher Verbrauch von Wasser - was ist dran an den Kritikpunkten an der Elektrolyse von grünem Wasserstoff? Philipp Bensmann erklärt die Vorteile der AEM-Elektrolyse.

AEM-Elektrolyseure bald Made in Germany
Containerlösung mit 48 AEM Elektrolyseuren für ein Researchprojekt an der Bundeswehr Universität in München, umgesetzt mit JAG Gastechnology als Partner.

Welche Elektrolyse-Technik verwenden Sie in Ihren Produkten und weshalb haben Sie diese gewählt?


Bei Enapter setzen wir auf AEM Elektrolyseure, um eine dezentrale Wasserstoffproduktion in beliebiger Menge zu ermöglichen und die Dekarbonisierung unseres Planeten zu beschleunigen. Mit unserer patentierten AEM Technologie (Anion Exchange Membrane) denken wir den Elektrolyseur komplett neu. Auf Basis dieser Lösung stellen wir standardisierte, skalierbare Plug-and-Play-Produkte für alle her, anstatt aufwändige Industrieprojekte abzuwickeln.
Die AEM-Elektrolyse arbeitet in einer alkalischen Umgebung, die weniger korrosiv ist. Dies bedeutet, dass Edelstahl anstelle von Titan für die Bipolarplatten verwendet werden kann. Edelmetall-Katalysatoren sind ebenfalls nicht erforderlich und werden durch kostengünstigere Katalysatoren aus Nicht-Platingruppenmetallen (PGM) ersetzt. Dadurch ergeben sich signifikante Kostenvorteile im Vergleich zur PEM Technologie (Proton Exchange Membrane) ohne auf die Stärken wie ein hoher Reinheitsgrad des Wasserstoffs bei gleichzeitig hoher Effizienz sowie schnelle Reaktionszeiten auf schwankende Stromeinspeisung durch erneuerbare Energien verzichten zu müssen. Letzteres wird als zentrale Schwäche der Alkaline Elektrolyse betrachtet.
Unsere Produkte stehen für eine unkomplizierte Installation und dank unserer intuitiven Software, dem Energy Management System Toolkit, vereinfachen und beschleunigen wir die schnelle Inbetriebnahme der Wasserstoffproduktion.
Dank des modularen Designs lassen sich mehrere AEM Elektrolyseure stapeln, um grünen Wasserstoff in beliebiger Menge herzustellen. Perfekt geeignet für kleine Tankstellen, saisonale Energiespeicherung, sowie kommerzielle und industrielle Anwendungen.
Günstige Herstellungsmaterialien und standardisierte Produktionsprozesse unserer AEM Elektrolyseure ermöglichen es, die Kosten für die grüne Wasserstoffproduktion signifikant zu senken und erschwinglicher als fossile Brennstoffe zu machen. Eine Welt ohne diese, ist unsere Vision.

 

An welchen Pilotvorhaben ist Enapter aktuell beteiligt?

Unsere AEM-Elektrolyseure kommen bei über 260 Kunden in 50 Ländern auf der ganzen Welt und in den unterschiedlichsten Anwendungsfällen zum Einsatz. Enapter konzentriert sich dabei auf die Herstellung von AEM Elektrolyseuren. Wir überlassen die Plug-and-Play-Integration beim Kunden unseren Integrations-Partnern. Projekte, in denen AEM Elektrolyseure stecken, reichen vom Stromspeicher, Power-to-Heat und Power-to-Gas über industrielle Lösungen bis hin zur Mobilität und Forschung. Eine Auswahl spannender Projekte aus vielfältigsten Anwendungsgebieten findet sich auf unserer Website. Darüber hinaus stellen wir unsere Use Cases regelmäßig auf unserer LinkedIn Seite vor.

 

Was ist Ihr bisher größtes Projekt?

Das multinationale Technologieunternehmen Wilo aus Dortmund hat gemeinsam mit dem französischen Elektrotechnikunternehmen Schneider Electric das H2Powerplant-System entwickelt – ein echtes Pionierprojekt und eines der größten Enapter Projekte. Der damit produzierte grüne Wasserstoff dient zunächst als Notstromversorgung der Wilopark-Zentrale und des Werks in Dortmund. Langfristig ist es als Basis für ein autarkes, dezentrales und regeneratives Energieversorgungsnetz geplant. Es wurde daher von Beginn mit der Option auf eine schrittweise Erweiterung konzipiert, um schließlich eine autarke Energieversorgung von bis zu zwei Tagen zu ermöglichen.
Die H2Powerplant von Wilo besteht aus vier Kernkomponenten: erstens der Photovoltaikanlage auf dem Dach der Smart Factory, zweitens einem Cluster von 96 AEM-Elektrolyseuren von Enapter samt Dryern und unserem smarten Energy Management System Toolkit, um den PV-Strom zur Erzeugung von grünem Wasserstoff zu nutzen. Hinzu kommt der 29,8 Meter lange Wasserstoffspeicher. In diesem kann Wilo kurz- bis langfristig Energie speichern und den Wasserstoff bei Bedarf mit einer von Proton Motor gelieferten Brennstoffzelle in Strom umwandeln. Dieses und weitere Wasserstoffprojekte finden sich auf unserer Webseite.


Parallel konkretisieren sich gerade einige Projekte in der Megawattklasse, die unseren AEM Multicore zum Einsatz bringen. Ein AEM Multicore alleine besteht aus 420 AEM Stacks. Eines dieser Projekte wird von der kanadischen Firma RE-FUEL umgesetzt, die u.a. dank 2 AEM Multicore die Provinz Prince Edward Island in den Bereichen Wärme, Transport, Schifffahrt und Luftfahrt energieautark machen will.
Mehr Infos zum AEM Multicore sowie alle technischen Spezifikationen auf einen Blick finden sich hier. Auf unserem YouTube Kanal finden sich zudem einige Videos.


Die Bundesregierung kündigte im Koalitionsvertrag eine bundesweite Elektrolyseleistung von 10 GW bis 2030 an – wie ist das zu schaffen und was kann Enapter dazu beitragen?

Wir wollen einen signifikanten Beitrag zu diesem Ziel leisten und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zum einen, in dem wir die grüne Wasserstoffproduktion mit Hilfe unserer AEM-Technologie günstig machen. Aus unserer Sicht ist das eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen schnellen Markthochlauf in Deutschland und Europa. Zum anderen, unterstützen wir die Zielerreichung natürlich mit dem Aufbau unserer Produktionskapazitäten in Deutschland. Wir stellen damit nicht nur die immer noch viel zu knappe Erzeugungseinheit “Elektrolyseur” zur Verfügung sondern schaffen qualifizierte Arbeitsplätze die das Know-How in Deutschland halten und damit einen wichtigen Beitrag leisten, eine entscheidende Zukunftsindustrie im Kampf gegen den Klimawandel hier vor Ort anzusiedeln und als Technologieführer zu verteidigen.

Inwiefern bedroht eine Verknappung seltener Erden wie Iridium den Ausbau bzw. Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft?

Dank der AEM Technologie sind wir in der Lage, fast vollständig auf seltene Erden und andere wertvolle Rohstoffe zu verzichten. Dies führt uns in eine nachhaltige Win-Win-Situation: Wir vermeiden die ökologisch und auch sozial häufig bedenkliche Förderung seltener Erden und andererseits sind wir in der Lage, die Kosten unserer AEM Elektrolyseure durch den Verzicht signifikant zu senken.
Grundsätzlich streben wir neben der maximalen Langlebigkeit einen Ansatz aus der Circular Economy an, den wir Life Cycle Impact Zero (LCIZ) nennen. Teil dieses Konzept ist das möglichst vollständige Recycling alter Geräte. Mehr Infos zum LCIZ Projekt mit namhaften Forschungsinstituten findet sich hier.


Wie stehen Sie zu dem Vorwurf, der großflächige Einsatz von Elektrolyseuren verschärfe die Wasserknappheit in vielen Weltgegenden?Die Knappheit von sauberem Frischwasser ist eine große Herausforderung. Jeder von uns kann sich noch an den letzten Sommer erinnern. Das Thema ist bereits in Deutschland eine reale Folge des Klimawandels. Unsere AEM Technologie hat den Anspruch, fossile Brennstoffe durch günstigeren, grünen Wasserstoff zu ersetzen und dem menschengemachten Klimawandel dabei etwas entgegen zu setzen.
Bei der Gewinnung von Rohöl und der Raffination von Diesel wird beispielsweise pro Energieeinheit etwa 40 % mehr Wasser verbraucht als bei der Herstellung von grünem Wasserstoff. Das bedeutet, dass neun Liter Wasser benötigt werden, um genug Diesel für eine Strecke von 40 km zu raffinieren oder genug Wasserstoff für eine Strecke von 100 km zu erzeugen. [Quelle] Grüner Wasserstoff vermeidet auch die Wasserverschmutzung, die bei verschiedenen Verfahren zur Gewinnung fossiler Brennstoffe auftritt.
Darüberhinaus lässt sich mit der entsprechenden Wasseraufbereitung auch mit Regen- oder Meerwasser Elektrolyse betreiben, um grünen Wasserstoff zu gewinnen.
Um das ins Verhältnis zu setzen, eine Badewanne voll Wasser ist ausreichend um ein durchschnittliches Haus vier Wochen mit Energie zu versorgen oder ein Smartphone 40.000 mal zu laden. [Quelle] Mit einem Ausbau der Effizienz lässt sich das weiter ausbauen. Betrachtet man das Ganze aus Sicht der Kreislaufwirtschaft, dann muss Wasserstofftechnologie nicht unbedingt zu einem Nettoverbrauch führen, da am Ende des Kreislaufs bei Verwendung einer Brennstoffzelle wieder Wasser in seiner reinsten Form entsteht. Je nach Anwendungsfall besteht das Potenzial, dieses Wasser aufzufangen und wiederzuverwenden. [Quelle]


Was würden Sie sich in Bezug auf die Genehmigungen von Elektrolyseuren von Verwaltung und Politik wünschen?


Neben Beschleunigung von Verfahren insbesondere eine direkte Knüpfung der Genehmigungserfordernisse an die Leistungsklasse des Elektrolyseurs. Es kann nicht sein, dass wir ein einzelnes AEM Elektrolyseurmodul im gleichen Verfahren und mit selbigem Aufwand wie einen großindustriellen Chemiepark genehmigen lassen müssen. Die Elektrolyse geht mit einer viel geringeren Gefährdungslage für Umwelt und/oder Emissionen einher. Elektrolyseure unter 2MW sollten deshalb genehmigungsfrei sein; zwischen 2 – 10 MW im vereinfachten BImSch-Verfahren genehmigt werden können und erst ab 10MW dem BImSch-Vollverfahren unterliegen. Das Genehmigungsrecht in Deutschland wäre so auch in Einklang gebracht mit den jeweiligen Projektbudget- und Zeithorizonten, die in Abhängigkeit der Elektrolyseurgröße sehr unterschiedlich sind.

Im Interview

Philipp Bensmann ist Social Media Strategist bei Enapter.

Über Oliver Schenk

Profilbild zu: Oliver Schenk

Ich bin verantwortlich für den Bereich Marketing Wasserstoff und sorge dafür, dass die hiesigen Projekte und Formate in der Metropolregion Hamburg und darüber hinaus wahrgenommen werden. Um dem vielversprechenden Energieträger zum Durchbruch zu verhelfen unterstütze ich die Wasserstoffwirtschaft mit redaktionellen Beiträgen, Netzwerkveranstaltungen, Videoproduktionen und vielem mehr.

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